Zeitungsbericht: 6. Jahrestreffen 2003

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KREIS SOEST Jeder trägt es in sich, von Geburt an: irgendwo dicht hinter dem Sehnerv und dicht an der Hypophyse, mitten im Kopf und an einer auch für versierte Chirurgen schwer zugänglichen Stelle.

Mit schwungvollen Bewegungen malt Privatdozent Dr. med. Hermann Müller von der Kinderklinik des Klinikums Oldenburg auf, was rund 270 Patienten im eher jugendlichen Alter bundesweit einen teilweise umständlichen Leidensweg beschert hat. „Es handelt sich um eine seltene Fehlbildung“, erläutert der Mediziner, der als Referent am vergangenen Wochenende beim sechsten Familientreffen der Selbsthilfegruppe auf Haus Düsse einen griechisch verbrämten wissenschaftlichen Zungenbrecher präsentierte: „Kraniopharyngeom“ nennt sich das, was sich im Kindes- oder Erwachsenenalter zu einem Hirntumor entwickeln kann.

Der sei allerdings grundsätzlich gutartig, beschwichtigt Dr. Müller. Und keineswegs lebensbedrohlich: „Durch moderne Operationstechniken, zum Teil kombiniert mit Strahlentherapie, haben die Patienten heute eine Langzeit-Überlebenschance von über 90 Prozent“, ergänzt er. Allerdings müssen auch nach dem operativen Eingriff die meisten Patienten mit Spätfolgen wie Sehstörungen, Mangel verschiedener Hormone oder Essstörungen mit Gewichtszunahme leben, trete die Fehlbildung im Erwachsenenalter auf, sei auch die Lust ein Frust, die Libido leide auf jeden Fall, so Müller.

Dass sich bei Krankheiten die Betroffenen zum Erfahrungsaustausch in lokalen oder regionalen Gruppen zusammenfinden, ist an sich nichts Besonderes. Besonders bei den Kraniopharyngeom-Patienten ist allerdings, dass die besten Chancen für eine frühe Entdeckung im Kindesalter bestehen, und zu entdecken ist die Wucherung nur mit einer Kernspin-Tomographie. „In der Röhre“, wie der Volksmund sagt. Und genau da liegt nach den Erfahrungen von Müller und vielen Patienten und deren Eltern die Krux: Langer Umweg, bis die Wahrheit ans Licht kommt

Wenig für dieses Krankheitsbild sensibilisiert, werden bei Kinder- oder Augenärzten die typischen Symptome wie Sehstörungen mit Gesichtsfeldausfällen oder „Röhrenblick“, Mattigkeitsgefühl oder unerklärliche Dauer-Kopfschmerzen falsch eingeschätzt, mancher Patient machte einen langen Umweg über Therapiesitzungen und Therapeutengespräche, bevor im Kernspin die Wahrheit ans Licht kam. Oder wurde von einem ratlosen Facharzt zum nächsten überwiesen. Hinzu kommt nach den Erfahrungen der Selbsthilfegruppe, dass es bislang nur eine empfehlenswerte Spezialklinik für den unverzichtbaren Eingriff zwischen Augen und Hirn gebe, in Würzburg.

Hannah Englisch aus Hamm erinnert sich mit Grausen, dass sie ihren Sohn aus dem lokalen Klinikum regelrecht habe „entführen“ müssen, da hatten die Chirurgen bereits mehrfach ohne nennenswerten Erfolg das Skalpell angesetzt.
Christine Sch. aus Ringsheim in Baden-Württemberg hatte Glück: Drei Wochen dauerte es von der Schuluntersuchung, bei der eine sehr einfühlsame Ärztin die sechsjährige Linda wegen ihrer ungewöhnlichen Sehstörungen zum Augenarzt schickte, der empfahl eine Kernspindiagnose, und schon fünf Tage später war die OP. „Linda geht's jetzt prima“, erzählt die Mutter. Doch ihre Geschichte sei leider nicht die Regel.

Informationen und Adressen finden sich im Internet unter www.kraniopharyngeom.de

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Soester Anzeiger
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06.11.2005 19:53