7. Familientreffen der Kraniopharyngeomgruppe - Protokoll

3. bis 5. 09.2004, Haus Düsse, Bad Sassendorf

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Das 7. Familientreffen fand wieder im Haus Düsse in Bad Sassendorf bei herrlichem Wetter statt. Die Erfahrung bei dem Treffen im Jahr zuvor hatte gezeigt, dass das Haus Düsse, Ausbildungszentrum der Landwirtschaftskammer Westfalen-Lippe (59505 Bad Sassendorf, www.duesse.de), nahe Soest in Westfalen, ideale Bedingungen bietet. Die großzügigen Versammlungsräume und das Gästehaus ermöglichten es, Unterkunft, Mahlzeiten, Vorträge, Aktivitäten und Geselligkeit zu vereinen. Das Treffen wurde schon traditionell von der Deutschen Kinderkrebsstiftung veranstaltet und von PD Dr. med. Hermann Müller, Oldenburg, fachlich geleitet. Die Kosten für Übernachtung und Verpflegung wurden in diesem Jahr von der Kinderkrebsstiftung getragen.
Viele der insgesamt 201 Teilnehmer trafen sich bereits am Freitag Abend zu einem ersten Kennenlern-Spiel. Auf einer großen Deutschlandkarte konnte sich jede Familie mit einem kleinen Schild am Wohnort eintragen. So war es auf einen Blick möglich andere Familien in der Nähe zum eigenen Wohnort zu finden und schon hier Kontakt aufzunehmen. Beim anschließenden gemütlichen Beisammensein in geselliger Runde wurde „geklönt“ – besonders für Familien, die erstmals an einem Treffen teilnahmen eine ideale Gelegenheit, Gleichbetroffene kennen zu lernen und Erfahrungen auszutauschen.

Am Samstagvormittag standen drei Fachvorträge auf dem Programm.

Pubertät, Sexualität und Fruchtbarkeit bei Kraniopharyngeom

war das Thema des ersten Vortrags von Professor Dr. med. Jürgen Brämswig, Universitätskinderklinik Münster. Prof. Brämswig erläuterte detailliert die Pubertätsentwicklung bei Jungen und Mädchen, die normalerweise im Alter von 11 bis 13 Jahren beginnt. Bei Ausbleiben der Pubertätszeichen, wie es häufig bei Patienten mit Kraniopharyngeom geschieht, muss die Pubertät mit Medikamenten eingeleitet werden. Zu welchem Zeitpunkt mit der Einleitung begonnen wird, sollte individuell für jeden einzelnen Patienten entschieden werden. Der Grund für das Ausbleiben der Pubertät ist der Ausfall der gonadotropen Hormone, die normalerweise von Hypophyse und Hypothalamus gebildet werden, bei Kraniopharyngeompatienten aber häufig durch die Entfernung des Hypophysenstiels oder der gesamten Hypophyse ausfallen. Diese Hormone sind dafür verantwortlich, dass Hoden bzw. Eierstock die Sexualhormone bilden und somit eine Pubertät einsetzt. Um eine normale Pubertätsentwicklung zu ermöglichen, werden deswegen die Sexualhormone medikamentös ersetzt; bei Mädchen Östrogen und Gestagen (in Form von Tabletten), bei Jungen Testosteron (anfangs als intramuskuläre Injektion; später auch als Pflaster oder Gel).
Die Drüsen, die diese Hormone normalerweise produzieren (Eierstock /Hoden), sind gesund und vollkommen normal angelegt. Es fehlt lediglich das Hormon „von oben“ (Hypophyse/ Hypothalamus), das diese Drüsen zur Produktion anregt. Deswegen ist prinzipiell die Fruchtbarkeit von Frauen und Männern mit Kraniopharyngeom möglich. Es kommt darauf an, bei Kinderwunsch der betroffenen Patienten die fehlenden Hormone der Hypophyse so zu ersetzen, dass die Samenzellen im Hoden und die Eizellen im Eierstock normal ausreifen. Diese Behandlung ist relativ aufwendig. Häufige Injektionen und genaue Kontrollen werden notwendig.

Kraniopharyngeom 2000: prospektive, multizentrische Beobachtungsstudie für Kinder und Jugendliche mit Kraniopharyngeom

Herr PD Dr. Hermann Müller berichtete über den aktuellen Stand der Studie. Zur Zeit sind 66 Kinder und Jugendliche gemeldet, die seit Mai 2001 in Deutschland, Österreich und der Schweiz mit einem Kraniopharyngeom diagnostiziert wurden. In der Studienzentrale in Oldenburg werden kontinuierlich die medizinischen Daten dieser Betroffenen gesammelt und ausgewertet. Wichtigstes Ziel der Studie ist es, einen Qualitätsstandard für die Diagnostik, Therapie und Nachsorge von Kindern und Jugendlichen mit Kraniopharyngeom zu schaffen und Unterschiede zwischen verschiedenen Therapieformen hinsichtlich ihrer Effektivität und Auswirkung auf die Lebensqualität der so behandelten Patienten zu untersuchen. Basierend auf den Ergebnissen der Studie sollen Therapieempfehlungen erarbeitet werden. Ein weiteres Ziel der Studie ist die Verbesserung der Langzeitbetreuung durch ein standardisiertes Nachsorgeprogramm. Die an der Studie teilnehmenden Kliniken werden unterstützt in ihrer Betreuung der erkrankten Kinder und Jugendlichen. Die Studienzentrale versteht sich auch als Anlaufstelle für Fragen und Anregungen der Betroffenen und ihrer Familien.

Psychologische Aspekte bei Kraniopharyngeom

erläuterte Herr Hermann Baqué, Diplompsychologe aus dem Sozialpädiatrischen Zentrum am Virchow-Klinikum der Charité in Berlin.
Da bei der Behandlung von Hirntumoren in den letzten Jahren große Erfolge erzielt wurden, wird es immer wichtiger, sich mit den psychosozialen Langzeitfolgen der Erkrankung und deren Therapie zu beschäftigen.
Als Grundlage dient die neuropsychologische Beurteilung. Diese ist abhängig von der Art, Größe und Lokalisation des Tumors, von der Art der Therapie, von der Progredienz des Tumors und vom Zeitpunkt der Untersuchung nach der Diagnose. Selten gibt es Untersuchungen vor Diagnosestellung. Je jünger das Kind zum Zeitpunkt der Erkrankung ist um so gravierender sind die neuropsychologischen Folgen. Neuropsychologisch Auffälligkeiten zeigen sich bei 40-100% aller überlebenden Kinder. Nach Bestrahlung des Gehirns muß langfristig mit Verschlechterung der kognitiven Leistungen gerechnet werden. Fast alle Kinder mussten ein Schuljahr wiederholen, ein Viertel konnte nicht wieder die Regelschule besuchen. Die Erkrankung eines Kindes an einem Hirntumor bedeutet für die ganze Familie eine sehr starke psychosoziale Belastung.
Die neuropsychologische Diagnostik erfasst die individuellen kognitiven Beeinträchtigungen in den Bereichen: Wahrnehmung, Aufmerksamkeit, Sprachfähigkeit, Gedächtnis, Intelligenz, Handlungsplanung, schulische Fähigkeiten und Emotionalität. Verschiedene Tests dienen dem Neuropsychologen dazu diese unterschiedlichen Bereiche zu überprüfen. Häufig eingesetzte Tests sind der HAWIK-III, der K-ABC (Kaufman Assessment Battery for Children) und der neu entwickelte K-TIM. Herr Baqué erläuterte an einigen Beispielen die Vorzüge dieses neuen Tests, der auch bis ins hohe Alter angewendet werden kann.
Die Ziele der neuropsychologischen Testung sind die Erfassung und Untersuchung kognitiver und emotionaler Funktionsstörungen. Außerdem wird der aktuelle Zustand beschrieben (Verhaltensbeobachtung) und es werden Aussagen über die Funktionsfähigkeit in verschiedenen Bereichen getroffen. Trainingsmöglichkeiten und Rehabilitationsmöglichkeiten werden beurteilt und mit den Betroffenen und ihren Familien erörtert. Das Angebot einer Helferkonferenz mit Psychologen, Lehrern und Eltern ermöglicht eine bessere Koordination der Schulplanung. Effektive Trainingsmethoden z.B. zum Gedächtnistraining werden angeboten.

Die anschließende sehr rege Diskussion zeigte, wie wichtig diese Themen für den Alltag vieler Betroffener sind.

Am Nachmittag wurden dann wieder verschiedene Workshops angeboten, deren Ergebnisse zum Teil anschließend gleich bewundert werden konnten u. a. Hairstyling oder Modellbau. Großen Zuspruch fand auch der Workshop von Ana Gräbener, die von ihren Erfahrungen mit verschiedenen Therapieformen bei unterschiedlichen Ausfällen berichtete und damit besonders Neu-Betroffene ermutigte sich rechtzeitig um die notwendigen Therapien zu bemühen.

Am späteren Nachmittag beantworteten Dr. Pohl und Dr. Müller im Rahmen der Expertensprechstunde unter großer Beteiligung der Teilnehmer die Fragen der Betroffenen und ihrer Familien.
Herr Dr. Pohl von der Abteilung für Strahlentherapie der Universität Würzburg stellte zunächst allgemein die Strahlentherapie bei Kraniopharyngeom in der Universität Würzburg vor:
Mit Hilfe einer Gesichtsmaske und eines Lasers wird eine genaue Lagerung des Patienten vorgenommen, die jeden Tag wiederholt werden kann. Die Bestrahlung erfolgt mittels eines Beschleunigers (Röntgenstrahl) mit einer Dosis von 50,4 bis 54 Gray. Es wird an 5 aufeinander folgenden Tagen mit einer Einzeldosis von 1,8 Gray bestrahlt. Die einzelnen Bestrahlungen werden von verschiedenen Seiten des Kopfes vorgenommen, um das gesunde Gewebe zu schonen.

Antworten zu den Fragen: Thema Strahlentherapie:

Antworten zu den Fragen: Thema Chirurgie:

Antworten zu den Fragen: Thema Magenband:

Antworten zu den Fragen: Thema Endokrinologie:

Fragen zu anderen Themen:

Nach dem fachlichen Programm gab es einen gemütlichen Ausklang des Tages im Westfalenkeller des Haus Düsse mit Tischfussballturnier, Tischtennis, Autorennen und Gesprächen bis in die Nacht.

Die Mitgliederversammlung begann am Sonntag um 10:00 Uhr mit der Ehrung der Gewinner des Kickerfußballturniers.
Der Vorstand wurde entlastet, es ist kein Mitglied ausgeschieden und es wurde kein neues Mitglied aufgenommen.
Es wurde vorgeschlagen, im nächsten Jahr der Diskussion nach den Fachvorträgen mehr Zeit einzuräumen, da es sehr viele Fragen an die Referenten gab und die Diskussion aus Zeitgründen beendet werden musste.
Zum Thema Schwerbehinderung/Schwerbehindertenausweis soll im nächsten Jahr die Auswertung der Fragebögen vorgestellt werden.
Frau Bachmann, Sozialarbeiterin in der Kinderklinik Würzburg, soll als Expertin für die Beantwortung allgemeiner und spezieller Fragen zum Thema Schwerbehinderung eingeladen werden.
Für die Öffentlichkeitsarbeit wurde vorgeschlagen, einen Fernsehbericht über die Erkrankung und ihre Folgen zu erstellen. Peter Schmuck hat Kontakte zum NDR und wird Informationen einholen.
Frau Dr. Bode von der Kinderkrebsstiftung Bonn begrüßte die Teilnehmer/innen des Familientreffens und informierte kurz über die Arbeit der Kinderkrebsstiftung.
Sie berichtete über den Verlauf der Regenbogenfahrt von Oldenburg nach Aachen und über das Waldpiratenkamp.
Frau Bode erklärte sich bereit, die Gruppe bei der Öffentlichkeitsarbeit zu unterstützen und ihre Kontakte zu den Medien für die Erstellung eines Dokumentarfilms zu nutzen.
Sie wies außerdem auf weitere Angebote der Kinderkrebsstiftung hin, wie die Zeitschriften „WIR“, „Total Normal“, und den Kinderkalender, der einen Spendenanteil enthält. Die Mitgliederversammlung endete um 13:00 Uhr.

Alle waren sich darüber einig, dass das Treffen in diesem Jahr in Haus Düsse besonders harmonisch verlaufen ist. Die gute Kooperation mit den Mitarbeitern im Haus Düsse hat die Organisation dieses Treffens sehr erleichtert. Aufgrund der idealen Gegebenheiten in Haus Düsse beschlossen die Gruppenmitglieder auch zum 8.Treffen der Kraniopharyngeomgruppe vom 16.-18. September 2005 wieder nach Bad Sassendorf zu kommen. Vorläufiges Programm und Anmeldung ab Frühjahr 2005 unter kraniopharyngeom.com.
Ein besonderer Gewinn für alle Teilnehmer war die Möglichkeit, ungezwungen mit anderen Betroffenen und den anwesenden Experten nicht nur viele Fragen zu besprechen, sondern auch ein wunderschönes Spätsommer-Wochenende gemeinsam zu verleben.

PD Dr. Hermann Müller,
Zentrum für Kinder- und Jugendmedizin Oldenburg
im Namen der KRANIOPHARYNGEOM-Gruppe

 

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