Hochzeit mit Hindernissen

Spendenaktion (-auktion) mal anders

Die Planungen für unsere Hochzeit waren schon lange abgeschlossen – das Essen und die Getränke bestellt, die Feierdeele gemietet, alle Einladungen verschickt, Büfettkarten gedruckt, Hotelzimmer für einige Gäste gebucht und die Hochzeitsklamotten (Brautkleid und Anzug) gekauft. Der Termin war Freitag, der 13. Juni 2003 (standesamtliche Trauung mit anschließendem Grillfest) und Samstag, der 14. Juni für die große Feier mit ca. 110 Gästen. Soweit – so gut.


Bild des Hochzeitpaares


Die seit ca. 4 – 5 Wochen anhaltenden Sehstörungen (völlige Unschärfe im Bereich des Sehzentrums) waren inzwischen so stark, daß ich meiner Arbeit als Softwareentwickler kaum noch nachkommen konnte, ohne fast in den Monitor zu kriechen. Beim Auto fahren konnte ich ein Nummernschild eines anderen Autos erst lesen, wenn es fünf Meter vor mir her fuhr. Also ging ich zu einer Augenärztin, die nach einigen Gesichtsfeldmessungen und Sehtests völlig ratlos war. Ich suchte mir einen anderen Augenarzt, der das Ganze auch sehr seltsam fand, vor allem deswegen, weil es auf beiden Augen gleichzeitig war. Er überwies mich aber (zum Glück) an einen Neurologen, welcher u.a. einen Nervenleittest durchführen wollte, der aber überhaupt nichts anzeigte. Das war genau einen Monat vor dem Hochzeitstermin.

3 Tage später (15. Mai) hatte ich auf Veranlassung des Neurologen einen Termin für ein MRT bei einem Radiologen. Der Befund: Gehirntumor. Von allen Organen und Körperteilen, an denen eine Operation denkbar ist, war für mich immer das Gehirn dasjenige Organ, an welchem ich mir eine OP am allerwenigsten vorstellen konnte. Seltsamerweise hat mich diese Diagnose aber nicht völlig umgehauen (vermutlich, weil ich ein unerschütterlicher Optimist bin), ich fragte mich auf der Fahrt nach Hause nur, wie ich sie am besten meiner liebsten Kerstin und meiner Mutter nahebringe. Bei dem Gespräch mit Kerstin, die mich von der Arbeit aus anrief, sprach ich nur von einer „Geschwulst“ und vermied das Wort „Tumor“. Auch hatte mir der Radiologe auf meine Nachfrage hin gesagt, daß der Tumor, so wie er gewachsen war, „sehr wahrscheinlich“ gutartig sei. Das erzählte ich Kerstin natürlich auch.

Kurze Zeit, nachdem ich zu Hause war, rief mich der Neurologe an und meinte, er hätte einen Termin für mich hier in Bielefeld in der Neurochirurgie im Krankenhaus Gilead 1 bei Prof. Dr. Falk Oppel klar gemacht. Die Frau meines lieben Freundes und Kollegen Jörg, der auch völlig geschockt war, arbeitet im Vertrieb für einen amerikanischen Hersteller von chirurgischen Hochpräzisionsgeräten und kennt deshalb sehr viele Krankenhäuser und Ärzte. Sie telefonierte sofort in ihrem Kollegenkreis und meldetet sich mit der Auskunft, dieses Krankenhaus und speziell Dr. Oppel hätten einen hervorragenden Ruf, was Operationen am offenen Gehirn anbelangt. Ich wäre dort in den besten Händen. Diese Auskunft beruhigte mich schon sehr. Allerdings fragten sich Kerstin und ich ständig, was denn nun aus unser Hochzeit werden solle, da wir keine Ahnung hatten, wie lange man nach so einer OP „außer Gefecht“ ist.

Am Freitag, den 16. Mai ging es ins Krankenhaus. Dem mich über die Gefahren und Risiken einer solchen OP aufklärenden Arzt erzählte ich von unseren Hochzeitsplänen und fragte ihn, ob wir alles absagen müßten. Er meinte, daß nach einer Gehirnoperation bei vielen Patienten die „Akkus oft für viele Wochen völlig leer“ seien, dies müsse aber nicht so sein, er würde empfehlen, die OP erst mal abzuwarten. Auf meine Frage, was denn mit den Sehstörungen werden wird (der Tumor drückte auf den Sehnerv, das war der Grund für die Störungen) erwiderte er, daß wir froh sein könnten, wenn der jetzige Status gehalten wird, eine Verbesserung sei nicht zu erwarten, da man nicht sagen könne, wie stark der Sehnerv bereits geschädigt sei.
Am Dienstag, den 20. Mai, war dann der Tag der OP. Ich wurde morgens operiert, der Eingriff dauerte ca. 2,5 Stunden. Irgendwann nach der OP kam Herr Dr. Oppel mit einem weiteren Arzt zu mir und man erklärte mir, daß der Tumor mikrochirurgisch komplett entfernt wurde. Vermutlich handelt es sich um ein Kraniopharyngeom, eine genau Untersuchung des Tumors würde es aber exakt klären. Mit dem Ergebnis sei in etwa einer Woche zu rechnen.

Noch auf der Intensivstation merkte ich, daß die Sehstörungen weg waren, ich hatte das Gefühl, genauso gut wie vorher sehen zu können, was mich sehr erfreute.

Am nächsten Tag wurde ich auf eine normale Station verlegt, der weitere Verlauf gestaltete sich sehr unproblematisch. Am 24. Mai wurde die externe Ventrikeldrainage entfernt und wenig später die Klammern. Am 28. Mai wurde ich mit den besten Wünschen für die bevorstehende Hochzeit und dem Hinweis, „nicht jeden Sekt mit zu trinken und nicht jeden Tanz mit zu tanzen“ entlassen. Man teilte mir da auch mit, daß der Tumor gutartig war und es sich um ein Kraniopharyngeom handelte. Ein nach 10 Tagen angefertigtes Kontroll – CT ergab keinen Befund.

Nach der Entlassung habe ich sofort im Internet recherchiert, um mich über diesen Gehirntumor zu informieren. Ich stieß sehr schnell auf die Kraniopharyngeom-Gruppe und meldete mich für das Treffen im September in Soest an, worauf ich mich sehr freue.


Die beiden Hochzeitstage waren wunderschön. Unsere Gäste freuten sich sehr, daß die Feier stattfand und es mir so gut ging. Wir hatten durch eine Bekannte sehr schönen Tischschmuck anfertigen lassen und fragten uns, was mir damit nach der Feier machen sollten. Der Tischschmuck war viel zu schön, um ihn einfach wegzuwerfen. Deshalb kamen wir auf die Idee, ihn zu versteigern und den Erlös der Kraniopharyngeom-Gruppe zu spenden. Die Versteigerung war sehr erfolgreich und die Gäste sehr motiviert, für diesen guten Zweck auch gut zu bieten.

Bild eines der schönen Blumensträuße die zugunsten der Kraniopharyngeom-Gruppe versteigert wurden

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Einen Tag vor der Hochzeit bekam ich noch die schriftliche Bewilligung für die 4-wöchige AHB in Bad Driburg, welche wir 3 Tage nach der Feier antraten. Kerstin hatte sich Urlaub genommen und kam die ersten 14 Tage mit. Danach besuchte sie mich jedes Wochenende.

Die Flitterwochen in der Rehaklinik waren zwar nicht unser Traum, aber wir waren sehr froh, daß alles so super verlaufen war. Eine in der Klinik eingeleitete Hormonuntersuchung ergab keine Auffälligkeiten und auch die psychologischen Tests (Konzentration und Gedächnis) ergaben nur grenzwertige Defizite. Im Vergleich zu den anderen Gehirntumorpatienten in der Klinik hatte ich wirklich Schwein gehabt, denn ich habe bis heute keine Ausfälle. Ich habe sogar ein paar Kilo abgenommen, was auch nötig war, denn schon vor dem Befund hatte ich so ca. 10 Kilo zuviel. Bad Driburg ist ein schöner Ort in einer wunderschönen Umgebung, wir konnten uns dort super von dem ganzen Streß erholen.

Photo des Hochzeitpaares

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Inzwischen (3 Monate später) habe ich meine Arbeit schon längst wieder aufgenommen, von der Narbe ist kaum noch was zu sehen. Die Ärzte und auch die Pflegerinnen und Pfleger in der Klinik Gilead 1 haben wirklich ganze Arbeit geleistet.

Bleibt nur zu hoffen, daß das Kontroll – MRT im Winter kein Rezidiv anzeigt. Aber auch da bin ich sehr optimistisch. Und wenn es nicht so ist - nun - jetzt weiß ich, was mich dann erwartet...

Stephan (44 Jahre alt)


Das Hochzeitspaar war am 02.06.2004 zur Aufzeichnung der Talkshow "Fliege" - Thema: "Diese Hochzeit werde ich nie vergessen" (Ausstrahlung: 08.06.2004) bei den ARD-Studios zu Gast. Leider war während der Sendung keine Zeit auf das Kraniopharyngeom und die Kraniopharyngeom-Gruppe näher einzugehen. Stephan konnte aber immerhin bewirken, dass man im Videotext und auf der Fliege-Homepage auf uns verlinkt.

 

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